Autorin: Ulrike Scheffer
Eine aufsehenerregende Entdeckung
Wie Professor Péter Maitz die Kreolsprache Unserdeutsch erforscht.
Es war ausgesprochenes Forscherglück, das Professor Péter Maitz auf die Spur einer besonderen Sprache führte: das Unserdeutsch. Ein australischer Linguist hatte sie in einem Text erwähnt. „Ich hatte davon noch nie gehört und stellte fest, dass die Sprache weder dokumentiert noch erforscht ist. Als Linguist kann man von einer solchen Gelegenheit nur träumen.“ Unserdeutsch war in Deutschland weitgehend unbekannt, genauso wie der Kontext, in dem es entstand. Dank der Forschung von Péter Maitz hat sich das geändert. Der Soziolinguist hat das Unserdeutsch in den vergangenen Jahren dokumentiert und so dazu beigetragen, dass es vielleicht sogar wiederbelebt wird.
Weniger als einhundert Menschen sprechen heute noch die Sprache, deren Wurzeln auf die deutsche Kolonialherrschaft in der Südsee um 1900 zurückgehen. Auf einer Insel, die damals Neupommern hieß und heute den Namen Neubritannien trägt, hatten christliche Missionare ein Waisenhaus und Internat für Kinder aus Verbindungen einheimischer Frauen mit europäischen und asiatischen Männern betrieben. Die Kinder lernten in der Schule Deutsch, im Alltag vermischten sie dies jedoch mit ihrer Erstsprache Tok Pisin, einer örtlichen Kontaktsprache aus indigenen Sprachen und Englisch. Unserdeutsch ist somit eine klassische Kreolsprache – aber die weltweit einzige Kreolsprache, deren Wortschatz auf Deutsch beruht.
Über den Linguisten, der die Sprache in einer Publikation aufgegriffen hatte, konnte Maitz Kontakt zu Sprecherinnen und Sprechern von Unserdeutsch knüpfen. Die meisten leben heute in Australien, einige auch in Papua-Neuguinea. 2015 brach er zu seiner ersten Feldforschungsreise auf. „Dabei ging es zunächst darum, Vertrauen aufzubauen, und den Sprecherinnen und Sprechern zu vermitteln, dass hier nicht erneut ein Weißer kommt, der nur seine eigenen Interessen verfolgt.“
Die Traumata der Kolonisierung sitzen bis heute tief bei den Menschen. Das spiegelt sich auch in ihrer Beziehung zu ihrer Sprache. Sie selbst nennen sie „falsche Deutsch“ oder „kaputtene Deutsch“, halten sie also für minderwertig. Die wertneutrale Bezeichnung Unserdeutsch stammt aus der Wissenschaft.
Durch die Arbeit von Péter Maitz und das damit verbundene mediale Interesse erlebten die Sprecherinnen und Sprecher des Unserdeutschen Anerkennung und Wertschätzung. „Das hat sie in ihrer kulturellen Identität gestärkt und auch das Interesse von Nachfahren an ihrem kulturellen und sprachlichen Erbe geweckt.“
Zur Person: Professor Péter Maitz, 48, erforscht als Soziolinguist Sprachen und ihre Verwendung im sozialen Kontext. Der gebürtige Ungar studierte in seinem Herkunftsland Germanistik und forschte später in Deutschland und der Schweiz. Derzeit hat er als Stipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung eine Gastprofessur zum Thema Sprachen und Kolonialismus an der Freien Universität Berlin inne.