In Aktion

„Film kann Aktivismus sein“

Mehmood Ali Khan forscht mit DAAD-Stipendium zum ­iranischen und pakistanischen Kino und dokumentiert als Filmemacher die Wakhi, eine ethnische Minderheit, der er selbst angehört. Warum das aktuell so wichtig ist und was er mit seiner Arbeit erreichen will, erzählt er im Interview.

Ausgabe 1 | 2024

Interview: Luca Rehse-Knauf

Herr Khan, Sie forschen an der Philipps-Universität Marburg und an der Freien Universität Berlin unter anderem zum pakistanischen Kino nach der Islamisierung des Landes. Was hat sich seitdem verändert?

Khan: Bis in die 1970er-Jahre produzierte die pakistanische Filmindustrie jährlich 300 Filme und zeigte sie in 1.500 Kinos im ganzen Land. Zehn Jahre später wurden kaum noch 20 bis 30 Filme im Jahr gedreht und in nur 300 Kinos gezeigt. In den 2000er-Jahren waren es dann nur noch zwei Filme und 115 Kinos. Die Kinos und die Produktionen verschwanden.

Woran lag das?

Khan: Viele Menschen in Pakistan geben dem Militär und dem Politiker Mohammed Zia-ul-Haq die Schuld, der nach einem Militärputsch ab 1977 eine Islamisierung Pakistans vorantrieb. Zensur- und Blasphemiegesetze erschwerten Kulturschaffenden die Arbeit. Bei meiner Feldforschung fand ich allerdings heraus, dass viele der Filmschaffenden, die während der Regierungszeit von Zia-ul-Haq gearbeitet hatten, nicht ihm die Schuld gaben. Sie beschwerten sich eher über die Unfähigkeit anderer Filmemacher und über die, die nur in die Filmindustrie gekommen seien, um Geld zu verdienen. Andere Faktoren sind das Aufkommen von Videokassetten und DVDs sowie ein großer Schwarzmarkt für Raubkopien in Karachi. Außerdem wuchs der Einfluss des indischen Bollywood-Films und verdrängte regionale Produktionen. Es ist also nicht so einfach.

Sie sind selbst nicht nur Wissenschaftler, sondern auch Dokumentarfilmemacher. Was sind Ihre Themen?

Khan: Meinen ersten Film drehte ich im Studium über die erste pakistanische Bergsteigerin. Ich komme aus einem Gebiet, in dem es allein fünf Achttausender gibt. Das ist ein Paradies für Bergsteiger, aber es gab lange keine pakistanischen Bergsteigerinnen – bis Samina Baig kam und den Mount Everest bestieg. Es geht um Geschlechtergerechtigkeit und Emanzipation. Ich nannte den Film „Berg der Gleichberechtigung“ (Koh-e-Baroba).
Dann habe ich mich meiner eigenen Kultur zugewandt. Ich gehöre der religiösen Minderheit der Ismailiten und außerdem der ethnischen Minderheit der Wakhi an. Letztere lebten in der asiatischen Steppe, bis in kolonialen Projekten im 20. Jahrhundert Grenzen durch das Land gezogen wurden. Dies führte dazu, dass die Wakhi auf einmal in vier Länderregionen lebten: in Westchina, in Südtadschikistan, in Nordafghanistan und in Nordpakistan. Ich habe eine Dokumentation über die Wakhi gedreht, über ihre Kultur und Sprache, die unter den imperialen Einflüssen der Nationen um sie herum zu verschwinden droht.

Was möchten Sie mit Ihrer Arbeit bewirken?

Khan: Ich denke, dass Film auch Aktivismus sein kann, vor allem an Orten, an denen repressive Regime herrschen. In Zukunft möchte ich mich mit meinen Filmen für mehr Freiheit und eine offenere Welt einsetzen. Mein Hauptanliegen im Moment ist es, dass Wakhi-Erbe zu bewahren, das in den kommenden 20 bis 30 Jahren verloren gehen könnte. Und ich möchte natürlich meine Promotion abschließen. ―

Der pakistanische Dokumentarfilmer und Filmwissenschaftler Mehmood Ali Khan hat am National College of Arts in Lahore, sowie am Aga Khan University Institute for the Study of Muslim Civilisations in London studiert. Er promoviert mit Unterstützung des DAAD und der University of Central Asia an der Philipps-Universität Marburg zum Thema „The Politics of Cinema in Iran and Pakistan Post-Islamisation“.