Text: Sabine Giehle
Germanistik als Brücke in die Welt
Deutsch ist eine weltweit verbreitete Sprache und die Germanistik ein internationales und transdisziplinäres Fach. Expertinnen und Experten berichten von ihrem Einsatz für das Deutsche rund um die Welt – und wie auch die deutsche Seite davon profitiert.
Die Sprache Deutsch wird von schätzungsweise 130 Millionen Menschen als Mutter- oder Zweitsprache gesprochen, rund 15,5 Millionen Menschen auf der Welt lernen Deutsch als Fremdsprache. Dies zu fördern, und damit den Kontakt zu den Kulturen und Menschen in aller Welt zu stärken, ist eine der wichtigsten Aufgaben des DAAD.
Mit dem Programm Germanistische Institutspartnerschaften (GIP) fördert der DAAD aus Mitteln des Auswärtigen Amts die Internationalisierung der Germanistik in Deutschland und weltweit. Insgesamt 27 GIP zwischen Instituten, die das Fach Germanistik oder Deutsch als Fremdsprache an einer deutschen Hochschule anbieten, und ihren Partnerinstituten im Ausland haben sich inzwischen etabliert.
Germanistik im internationalen Kontakt
Professorin Gesine Lenore Schiewer, Lehrstuhl für Interkulturelle Germanistik an der Universität Bayreuth, ist auch Präsidentin der Gesellschaft für interkulturelle Germanistik. Seit 2017 pflegt sie Institutspartnerschaften unter anderem mit Benin, Togo und Ghana. „Wir arbeiten auf verschiedenen Ebenen zusammen sowohl beim Studierendenaustausch als auch zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Aber gerade bei der GIP mit den drei westafrikanischen Staaten gibt es auch einen starken Austausch unter den Partnerländern“, erklärt Gesine Schiewer. „Das Deutsche ist dabei die Brücke zwischen dem anglophonen Ghana und den frankophonen Partnerländern Togo und Benin in der Germanistik.“
Großes Interesse an Deutsch
Dr. Gerald Heusing, Afrikanist und DAAD-Lektor, lebt seit vielen Jahren in Afrika – zunächst in Uganda, dann in Äthiopien und nun in Nigeria, wo er an der University of Lagos arbeitet. „Im Unterschied zum Englischen“, erklärt Heusing, „hatte Deutsch in diesen Ländern nie eine offizielle oder funktionelle Bedeutung, diente nie als Bildungssprache.“ Dennoch sei die deutsche Sprache in Uganda, Äthiopien und Nigeria ein Lehrfach, als freiwilliges Zusatzfach oder beispielsweise als zweite Fremdsprache. Und das Interesse an der deutschen Sprache in den schulischen, akademischen und sonstigen Bereichen ist groß: Allein in Nigeria, so belegt die Datenerhebung des Auswärtigen Amts, gab es 2020 mehr als 10.000 Deutschlernende.
Die Motive für dieses Interesse seien dabei vielfältig und reichten vom Wunsch nach einer beruflichen Zusatzqualifikation über das Ziel einer Karriere im Tourismus bis zu familiären Gründen wie Familienzusammenführung oder ein deutschsprachiger Hintergrund, erläutert Heusing.
Potenzial für Partnerschaften
Bei der Zusammenarbeit der deutschen Hochschulen insbesondere mit Nigeria sieht Heusing noch „ein großes verborgenes Potenzial“. Realisiert hat es sich schon in 32 Hochschulkooperationen von 19 Universitäten des Landes mit deutschen Partnern. Zu den bereits etablierten nigerianisch-deutschen Hochschulkooperationen gehört das SDG-Graduiertenkolleg Urban Lab. Es trägt dazu bei, die Entwicklungsziele der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals, SDG) umzusetzen und fußt auf einer Zusammenarbeit der University of Lagos, der südafrikanischen University of Witwatersrand und der TU Berlin. Hier fördert der DAAD unter anderem Stipendien für den Master of Urban Management oder den PhD in Sustainable Urbanisation.
Durch Austausch lernen
Auch die deutsche Seite könne durch den internationalen Austausch viel lernen, hebt Gesine Lenore Schiewer hervor. Sie berichtet von einer weiteren GIP, die ihr Institut mit Polen und Kolumbien unterhält, und die unter dem zentralen Thema „Junge Generationen in der internationalen Teilhabe“ steht. Dabei werden Probleme aufgegriffen und bearbeitet, die mit strukturellen und inhaltlichen Veränderungen der sozialen Alltagspraxen wie beispielsweise gesellschaftlichen Radikalisierungstendenzen in Deutschland, Kolumbien und Polen einhergehen.
„Wir entwickeln entsprechende Curricula, in denen solche Themen mit dem Ziel der Stärkung demokratischer Strukturen behandelt werden“, erläutert Gesine Schiewer. „Und da können wir in Deutschland im gemeinsamen Austausch von anderen Ländern lernen, die seit Jahrzehnten mit großen Spannungen und Konflikten konfrontiert sind.“
Für die Germanistik im internationalen Kontext sieht Gesine Schiewer eine wichtige Aufgabe darin, die Gesellschaften der Partnerländer zu verstehen „und Themen zu erarbeiten, die dort bedeutend sind. Daher ist Inter- beziehungsweise Transdisziplinarität gerade für die Germanistik sehr wichtig“.
Chance für die deutsche Sprache
Auch im Baltikum wird fleißig Deutsch gelernt: Mehr als 67.000 Menschen in Estland, Lettland und Litauen tun es. „Deutsch ist hier nach Englisch und Russisch die wichtigste Fremdsprache, wobei alle drei Sprachen sehr unterschiedliche Rollen haben“, sagt Dr. Heiko F. Marten. Er war bis 2022 Leiter des DAAD-Informationszentrums für Estland, Lettland und Litauen in Riga und ist nun wissenschaftlicher Mitarbeiter am Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (IDS). „Die Sprache Deutsch wird im Baltikum ausgesprochen positiv gesehen.“ Und wie hat der Krieg in der Ukraine das Verhältnis der Balten zur deutschen Sprache verändert? „Russisch wird als politisch immer problematischer empfunden“, erläutert Marten. „In Lettland gibt es deshalb jetzt die dezidierte Politik, die Präsenz des Russischen in den Schulen zurückzufahren. Davon wird das Deutsche voraussichtlich profitieren.“ Schon jetzt sieht Marten, dass die Deutschlehrerausbildung stark gefördert wird. „Das ist eine Chance für die deutsche Sprache und die Germanistik.“ —
Wenn Sie mehr über die Arbeit von Dr. Heiko F. Marten, die Rolle der deutschen Sprache im Baltikum und die Sprachpolitik in Deutschland erfahren wollen, lesen Sie online das Interview dazu.