Im Austausch

Erinnerungsarbeit für den Frieden

Das Deutsch-Kolumbianische Friedensinstitut CAPAZ setzt sich für die Aufarbeitung des jahrzehntelangen Konflikts in dem südameri­kanischen Land ein.

Ausgabe 1 | 2022

Text: Miriam Hoffmeyer

Im November 2016 endete der bürgerkriegsähnliche Konflikt in Kolumbien zwischen der Regierung und der FARC-Guerilla (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia – Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens). Doch ist der Friedensprozess längst nicht abgeschlossen; in einigen ­Regionen verüben paramilitärische Gruppen, Dissidentinnen und Dissidenten der FARC und Kämpfende der marxistisch ausgerichteten ELN (Ejército de Liberación Nacional – Nationale Befreiungs­armee) weiterhin Gewalttaten. „Frieden muss in der Gesellschaft verankert sein“, sagt Professor Stefan Peters. Der Friedensforscher an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) leitet das Instituto Colombo-Alemán para la Paz (CAPAZ), das 2017 von zehn kolumbianischen und deutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen gegründet wurde und als eines von fünf Exzellenzzentren weltweit durch den DAAD aus Mitteln des Auswärtigen Amts gefördert wird. Mit bi- und internationalen Forschungsprojekten trägt das Institut zur Aufarbeitung der gewalt­samen Vergangenheit und zum Friedensprozess bei. Wichtiger Teil des Prozesses ist die kolumbianische Wahrheitskom­mission, für die von den Forschenden am CAPAZ verschiedene Opfer-perspektiven des ­Konflikts erarbeitet werden – nach ­Geschlecht, Ethnie und sozialer Herkunft.

Auch Wissenstransfer ist eine zentrale Aufgabe des Instituts. „Die Wissenschaft muss den Mut haben, in den Dialog mit der Gesellschaft einzutreten – und dabei auch denen zuzuhören, die nicht wissenschaftlich argumentieren“, meint Stefan Peters. Durch die Förderung einer lebendigen politischen Debatte könne die Wissenschaft den Friedensprozess ganz praktisch voranbringen. Mit seinen Veranstaltungen – Vorlesungsreihen, Workshops, virtuelle Zertifikatskurse und Diskussionen – wendet sich das ­CAPAZ nicht nur an kolumbianische und deutsche Studierende, sondern auch an ehemalige Guerillakämpfer, Opfergruppen, Militärs, Nichtregierungsorganisationen und Behörden. Darüber hinaus sollen Lehrkräfte, Medienschaffende und Jugendliche angesprochen werden. So stand 2022 bei einem Science-Slam die musikalische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit im Mittelpunkt. Aktuell berät das CAPAZ die Produktion einer Telenovela, die die Ergebnisse der Wahrheitskommission einem breiten Publikum vermitteln soll.

Nach der Veröffentlichung des Berichts der Wahrheitskommission Ende Juni rechnet Stefan Peters mit neuen Diskussionen: „Angesichts der zu erwartenden heftigen Reaktionen der politischen Rechten und auch Teilen der Linken wird die Herausforderung, eine Debatte jenseits von Polemik zu ermöglichen, dann noch größer.“ In Zusammenarbeit mit kolumbianischen Kunstschaffenden plant das CAPAZ im Juli Veranstaltungen auf der Documenta in Kassel und will den Bericht so einem internationalen Publikum nahebringen. —

instituto-capaz.org