Text: Miriam Hoffmeyer
Kamera läuft! Filmschaffende weltweit fördern
Wie der DAAD durch Stipendienprogramme und das Berliner Künstlerprogramm aufstrebende und etablierte Filmschaffende dabei unterstützt, internationale Erfahrungen zu sammeln.
Die vielfältigen Aufbaustudiengänge im Bereich Film an deutschen Hochschulen sind für internationale Graduierte attraktiv. Das Interesse an DAAD-Stipendien in diesem Bereich ist vor allem in Ländern des Globalen Südens groß. Fast 70 internationale Graduierte bewarben sich für 2024 um ein Stipendium für ein Studium in Deutschland. Gefördert werden vollständige Aufbau- und Vertiefungsstudiengänge, die deutsche Hochschulen zu ganz unterschiedlichen Schwerpunkten anbieten – vom klassischen Filmstudium über Erzähl- und Produktionstechniken für digitale Medien, Filmbearbeitung, Filmmusik und Ton bis zu Vermarktung und Öffentlichkeitsarbeit. „Besonders beliebt bei internationalen Stipendieninteressierten sind die Universität der Künste Berlin, die Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf und die Internationale Filmschule Köln“, sagt Luca Richardt, Teamleiter in der Abteilung Stipendien beim DAAD. Zusammen mit seinem Team ist er zuständig für alle Filmprogramme weltweit.
Die meisten Bewerberinnen und Bewerber aus Deutschland streben in die USA oder in ein europäisches Land wie Frankreich, Großbritannien, Italien oder die Benelux-Länder. Für Filmstudierende und Graduierte aus Deutschland werden verschiedene Fördermöglichkeiten angeboten: von kurzfristigen Auslandsaufenthalten, etwa zur Recherche für ein Filmprojekt, über Auslandssemester bis zum Aufbaustudium im Ausland.
Die Auswahl unter den Bewerbungen, die alle formalen Voraussetzungen erfüllen, trifft eine Fachkommission. Alle Stipendieninteressierten aus Deutschland stellen sich und ihre Arbeitsproben der Kommission persönlich vor. Bei den internationalen Bewerberinnen und Bewerbern läuft das Verfahren anders ab: Die Kommissionsmitglieder teilen die Bewerbungen untereinander auf, sichten die Arbeitsproben und treffen eine Vorauswahl. „Filme überzeugen mich durch eine klare künstlerische Haltung, eine eigene Sicht, die spürbare Notwendigkeit, diese bestimmte Geschichte zu erzählen“, sagt Gutachter René Harder, Professor für Schauspiel an der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft in Alfter. „Ich versuche, zunächst nicht als Fachmann zu schauen, sondern als Mensch: Interessiert mich dieser Film, erweitert er meinen Horizont? Die fachliche Analyse von Regie, Schnitt, Sounddesign und so weiter ist dann erst der zweite Schritt.“ Handwerkliche Perfektion sei bei der Bewerbung nützlich, aber nicht allein entscheidend: „Fingerübungen interessieren uns nicht so sehr.“
„Ich suche nach etwas, in dem der künstlerische Drang überwiegt, aber die Arbeit noch experimentier- und entwicklungsbedürftig ist.“
Theda Nilsson-Eicke, Juniorprofessorin an der Hochschule für Bildende Künste Dresden
Theda Nilsson-Eicke, Juniorprofessorin an der Hochschule für Bildende Künste Dresden im Bereich Stage Setting und Kostümdesign, beschreibt ihre Auswahlkriterien so: „Ich suche nach etwas, in dem der künstlerische Drang überwiegt, aber die Arbeit noch experimentier- und entwicklungsbedürftig ist.“ Denn nur dann sei eine Weiterbildung wirklich sinnvoll. Bei gleichwertigen Bewerbungen spiele auch die Lebenssituation der Bewerberinnen und Bewerber eine Rolle: Das Stipendium könne „eine kleine zusätzliche Hilfe sein, um in unserer Gesellschaft unter gleichen Bedingungen konkurrieren zu können“.
In einer gemeinsamen Sitzung stellen die Kommissionsmitglieder einander die internationalen Bewerbungen vor und zeigen Ausschnitte aus den Arbeitsproben. Immer wieder gebe es lebhafte Diskussionen, sagt Theda Nilsson-Eicke: „Dadurch kann man sicher sein, dass der Antrag sorgfältig geprüft und gründlich durchgesprochen wurde.“ Das Niveau der Bewerbungen sei zuletzt sehr hoch gewesen, ergänzt René Harder: „Wir tun uns manchmal schwer, weil es so viele starke Bewerbungen gibt.“ Beide beobachten bei den Bewerbungen einen Trend zum Cross-over mit anderen künstlerischen Bereichen wie Bildender Kunst, Theater, Musik und Literatur. Immer häufiger werden auch schnellere und handlichere Medien wie etwa Smartphones genutzt. Für Theda Nilsson-Eicke eine positive Entwicklung: „Möglicherweise und hoffentlich ein Weg, der Kunst eine schnelle, laute und aktive Stimme im gesellschaftlichen Diskurs zu geben.“
Das Berliner Künstlerprogramm des DAAD, eines der renommiertesten Artist-in-Residence-Programme weltweit, fördert internationale Künstlerinnen und Künstler, die schon bedeutende Leistungen vorzuweisen haben. Das Programm wurde 1963 von der Ford Foundation ins Leben gerufen und ab 1965 vom DAAD weitergeführt. Pro Jahr werden aus Mitteln des Auswärtigen Amts und des Berliner Senats etwa zwanzig Stipendien für Residenzaufenthalte vergeben, drei davon an Filmschaffende. Die Auswahl aus den aktuell mehr als 500 Bewerbungen allein in der Filmsparte trifft eine jährlich wechselnde externe Jury. „Auch innerhalb der sehr kleinen Gruppe ist uns Diversität der filmischen Ansätze wichtig, vom Spielfilm über Queer Cinema und Dokumentarfilm bis zum Experimentalfilm“, sagt Mathias Zeiske, Leiter Literatur und Film beim Berliner Künstlerprogramm. „Die Zeit in Berlin ermöglicht den Fellows, sich ohne Produktionsdruck auf ihr Projekt zu konzentrieren und neue Kontakte zu knüpfen.“
Das Programm unterstützt die Film-Fellows bei der Recherche und bei Dreharbeiten, und arbeitet bei Publikationen und Veranstaltungen eng mit ihnen zusammen. Ein wichtiger transdisziplinärer Begegnungsort ist die daadgalerie in der Kreuzberger Oranienstraße, in der neben Konzerten, Lesungen, Performances und Workshops auch Filmvorführungen und Ausstellungen stattfinden.
Aus dem Artist-in-Residence-Programm gingen bereits viele erfolgreiche und bedeutende Filmschaffende hervor wie beispielsweise die amerikanische Choreografin, Tänzerin und Filmemacherin Yvonne Rainer, der russische Regisseur Andrei Tarkowski, der US-amerikanische Autorenfilmer Jim Jarmusch oder der zweimalige iranische Oscar-Preisträger Asghar Farhadi.
Zu namhaften Fellows der vergangenen Jahre gehören unter anderem Radu Jude aus Rumänien, der 2023 für die schwarze Komödie „Do Not Expect Too Much from the End of the World“ den Spezialpreis der Jury beim Locarno Film Festival erhielt, oder Burak Çevik aus der Türkei, dessen Film „Forms of Forgetting“ seine Premiere 2023 in der „Forum“-Sektion der Berlinale hatte. 2024 wurde Nelson Carlos de los Santos Arias für seinen Film „Pepe“ bei der Berlinale mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet (lesen Sie ein ausführliches Interview hier).
„Artist-in-Residence-Programme sind sehr nachhaltig, denn über die Zeit entstehen Freundschaften. Die Fellows werden auch von anderen Institutionen eingeladen und werden Teil der Berliner Szene“, sagt Mathias Zeiske. Häufig arbeitet das Künstlerprogramm mit Alumnae und Alumni zusammen, die schon vor Jahrzehnten am Programm teilgenommen hätten. So ist für 2024 eine Veranstaltung mit Robert Beavers in der daadgalerie geplant: Der Avantgarde-Filmemacher aus den USA war 1970 der erste Fellow des Berliner Künstlerprogramms im Bereich Film. ―