Interview: Klaus Lüber
„Ein Best-Practice-Modell der Zusammenarbeit“
Welchen Beitrag können die Deutschen Wissenschafts- und Innovationshäuser (DWIH) zur Science Diplomacy leisten? Darüber spricht Dr. Jan Lüdert, Programmleiter des DWIH New York, im Interview.
Herr Dr. Lüdert, Science Diplomacy soll dazu beitragen, globale Herausforderungen effektiver anzugehen. Welche Rolle spielt hier das Netzwerk der Deutschen Wissenschafts- und Innovationshäuser (DWIH)?
Das DWIH-Netzwerk kann als ein Best-Practice-Modell der Zusammenarbeit zwischen Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen im Ausland angesehen werden. Wir verstehen uns als Zweig der deutschen Wissenschaftsdiplomatie mit dem Ziel, die internationale wissenschaftliche Zusammenarbeit von Interessengruppen zu fördern, indem wir Schnittstellen zwischen Forschung, Industrie und Politik etablieren.
Wie sieht diese Arbeit genau aus?
Illustrative Beispiele für die Praxis des DWIH New York finden sich in der Veranstaltung „Science Diplomacy in International Organizations“ aus dem Jahr 2022 und der Zusammenkunft bei den Vereinten Nationen im Hauptquartier New York 2023, bei der es um die Integration der Nachhaltigkeitsziele in die Hochschulbildung ging. Für diese Expertendiskussionen hat das DWIH New York mit seinen Partnern vom Deutschen Generalkonsulat und Mitgliedern des Unterstützernetzwerks sowie mit Teilnehmenden führender Forschungseinrichtungen, der Vereinten Nationen, Universitäten und Nichtregierungsorganisationen zusammengearbeitet. Ziel war es, die Rolle verschiedener Akteure im heutigen Multilateralismus und die Relevanz der Wissenschaftsdiplomatie für internationale Organisationen herauszuarbeiten. Eine Betrachtung und Bestandsaufnahme der Umsetzung nachhaltiger Entwicklung als nationale Strategie in Deutschland im internationalen Vergleich ist hier besonders dringlich für den Erfolg der Wissenschaftsdiplomatie.
Wissenschaftsfreiheit ist leider weltweit auf dem Rückgang, das Auswärtige Amt spricht von „schrumpfenden Räumen“. Welche Möglichkeiten bietet Science Diplomacy, hier gegenzusteuern?
In diesem Zusammenhang schlägt das DAAD-Positionspapier „Wissenschaftsdiplomatie für eine multipolare Welt“ aus dem Jahr 2022 die Konzeption und Entwicklung einer neuen Wissenschaftsdiplomatie vor, die über eine wertebasierte Wissenschaftsdiplomatie hinaus eine interessengeleitete Ausrichtung umfasst. Hier werden globale Fragestellungen, Verwerfungen und Systemrivalitäten regional differenziert und risikoreflexiv beurteilt. Aufgaben, die das DWIH-Netzwerk durch seine in den Sitzländern verankerte und lokal partizipativen Aktivitäten sehr gut umsetzen kann. Wichtig hier ist, dass sich die Wissenschaftsdiplomatie Herausforderungen stellt, die zunehmend auch durch machtpolitische Erwägungen eingeengt werden. Diese „neue“ Wissenschaftsdiplomatie fördert den zivilgesellschaftlichen Dialog, eine nachhaltige Entwicklung von Gesellschaft und Wirtschaft und die Wahrung nationaler Interessen. Eine derartige Wissenschaftsdiplomatie richtet diese Ziele regional unterschiedlich aus und wägt Chancen und Risiken der internationalen Zusammenarbeit gegeneinander ab. In einer zunehmend multipolaren Welt trägt eine derartige Ausrichtung zur Aushandlung und Umsetzung multilateraler Partnerschaften bei und hilft, „schrumpfenden Räumen“ aktiv entgegenzuwirken.
Als weitere Herausforderung wird immer öfter ein Vertrauensverlust in Wissenschaft genannt. Wie ernst ist das Problem?
Das DWIH-Netzwerk als „Umsetzungsakteur“ der Wissenschaftsdiplomatie nimmt diese Frage sehr ernst. Der Grund dafür ist einfach: Wissenschaft ist ein zentraler Bestandteil moderner Gesellschaften und internationaler Beziehungen. Allerdings werden die historische Autorität der Wissenschaft und ihre epistemischen Gemeinschaften in der Hochschulbildung, der Industrie und politischen Institutionen nicht mehr als selbstverständlich angesehen. Systematische und ungerechtfertigte Ablehnung der Wissenschaft, das heißt Wissenschaftsskepsis, ist zu einem gesellschaftlichen Problem geworden, das eine Bedrohung für das Gefüge liberaler Demokratien und einer wertebasierten globalen Ordnung darstellt. Akademische Freiheit und wissenschaftlicher Austausch erfordern ein Umfeld, in dem freie Meinungsäußerung ein Ansatz für kritisches, interdisziplinäres und intersektorales Engagement ist, anstatt durch Skeptiker und Misstrauen gegenüber evidenzbasierter Forschung eingeschränkt zu werden. Hier spielt die Arbeit des DWIH New York in einem vorrangig transatlantischen Kontext eine unterstützende Rolle. Als Netzwerk versuchen wir an den globalen Standorten Vertrauen aufzubauen, indem wir gezielt Akteure und Perspektiven aus Wissenschaft, Industrie und Politik zusammenbringen und zum kritischen Diskurs anregen.
Welche Rolle spielen unabhängige Mittlerorganisationen wie der DAAD?
Das DWIH-Netzwerk wird mit Mitteln aus dem Auswärtigen Amt gefördert, während der DAAD die DWIH-Arbeit zentral aus Bonn koordiniert. Das Auswärtige Amt gibt regelmäßig Verwaltungs- und Implementierungsfunktionen an Mittlerorganisationen wie den DAAD ab, die somit als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik fungieren. Letzteres ist insbesondere zu berücksichtigen, da der DAAD Parameter der Wissenschaftsdiplomatie formuliert, welche das DWIH über sein Netzwerk fördert, aber auch zurückspielt. Die Einzigartigkeit des DWIH-Netzwerks in Hinblick auf Wissenschaftsdiplomatie liegt somit in seiner Fähigkeit, eine engere Verzahnung zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik sowie der Zivilgesellschaft herzustellen. Die DWIH können sichere Räume schaffen, in denen verschiedene nationale und sektorale Akteure zusammenkommen, um gemeinsam Chancen und Herausforderungen zu identifizieren. Dies gibt dem DWIH in der internationalen Wissenschaftsdiplomatie eine gesonderte und wichtige Rolle. –
Als Politikwissenschaftler mit Schwerpunkt internationale Beziehungen beschäftigt sich Dr. Jan Lüdert schon seit Längerem mit dem Themenfeld Science Diplomacy. Seit April 2022 ist er Programmleiter des Deutschen Wissenschafts- und Innovationshauses (DWIH) New York.