In Aktion

Die Natur als Wegweiser

Der guatemaltekische Künstler Edgar Calel setzt sich mit indigenen Erfahrungen auseinander.

Ausgabe 2024 | 2025

Text: Karen Naundorf

Alles, was der Dichter und Multimediakünstler Edgar Calel schafft, hat mit dem großen Ganzen zu tun: mit dem Leben an sich und mit der Natur, die wiederum Leben ist und Leben ermöglicht. In seiner Arbeit erforscht Calel die Komplexität der Maya-Gemeinschaft Kaqchikel in Guatemala, ihre Spiritualität, ihre Rituale und Gemeinschaftspraktiken.

Geboren in San Juan Comalapa, nur 80 Kilometer von der Hauptstadt Guatemala-Stadt entfernt, wuchs Calel in einem kreativen Umfeld auf: Der Vater Maler, die Mutter arbeitete mit handgefertigten Webstoffen. 2005 begann er ein Studium an der Nationalen Kunsthochschule in Guatemala-Stadt. Tag für Tag nahm er den Bus, ruckelte zwei Stunden hin, zwei zurück. Er sah aus dem Fenster und schulte seine Beobachtungsgabe. Später setzte er das bei Spaziergängen durch die Stadt und in Museen fort.

Einen Raum für seine Materialien und die Nähe zur Mutter Erde – beides braucht Edgar Calel, um Ruhe und Inspiration zu finden. In seiner Heimatstadt San Juan Comalapa hat er genau das. Doch er ist auch viel unterwegs in der Welt, ebenso wie seine Werke. Sie sind Teil bedeutender Sammlungen und werden beispielsweise in der Tate Gallery in London, im Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía in Madrid oder in der National Gallery in Ontario ausgestellt.

Im Rahmen eines Stipendiums des Berliner Künstlerprogramms des DAAD verbrachte Calel Ende 2022 drei Monate in Berlin. „Diese Zeit war ein Geschenk. Das Erfahrene ist in meinen Erinnerungen und meiner permanenten Suche präsent.“ Sicherlich könne man heute auch vieles auf Distanz gemeinsam erarbeiten oder sogar erleben, aber: „Ich halte es für sehr wichtig, diese Dynamik des Zusammenbringens aufrechtzuerhalten. Was sind unsere Vorstellungen vom Leben? Ich habe Künstlerinnen und Künstler verschiedener Disziplinen kennengelernt, Kuratoren, Migranten und Menschen, die ihr Land im Krieg verlassen haben.“ In seiner Arbeit thematisiert Calel auch den systematischen Rassismus und die Ausgrenzung, die die indigene Bevölkerung Guatemalas täglich erfährt. Ein großer Wunsch für die Zukunft sei daher „Autonomie für indigene Völker. Es sollte keine Abhängigkeiten geben, sei es von Institutionen oder Unternehmen, die ausbeuten oder bedrohen. Das passiert seit der Kolonialzeit, bis heute.“ Für die Gegenwart wünscht er sich Einklang mit der Natur, dieser sei auch Grundlage für das, was kommt: „Die Zukunft wird geschehen, wenn das Leben es zulässt.“ —

Im Videoporträt können Sie sehen, wie ein Werk von Edgar Calel entsteht.